In Turin muss eine Entscheidung her, die Wolken hängen tief, es regnet und die Temperaturen werden stündlich kühler. Die Schneefallgrenze hatte sich bei knapp über 1000m eingependelt, keine tollen Aussichten auf unsere bevorstehende Alpenüberquerung. Wie es der Zufall so will kommen unsere Eltern gerade mit ihrem Wohnmobil aus dem jährlichen Griechenland-Urlaub. Kurzerhand nehmen die Beiden einen längeren Umweg in Kauf und laden uns samt Rädern ein. Wir werden also über die Alpen chauffiert, wer über 280.000 Höhenmeter in den Beinen hat, darf sich diesen Luxus mal gönnen. Das Felsmassiv der Alpen und die gigantischen Schluchten sind beeindruckend, wir geniessen dieser Eindrücke aus für uns ungewohnter Perspektive, vom Beifahrersitz aus. Am Genfersee haben wir die kritische Region hinter uns und es geht bei, weiterhin kühlen, Temperaturen wieder per Rad weiter durch unser Land Nr. 29.
Gleich die erste Nacht in der Schweizer Wildnis wird eine der kältesten unserer gesamten Reise, der ständige Nieselregen in den folgenden nächsten Tagen macht die Sache nicht besser. Mit steifen Gliedern und tauben Fingern kämpfen wir uns am Genfersee entlang bis Lausanne. Die Schweiz ist unverhältnismäßig teuer, so beschliessen wir absolut low-budget durch die Alpenrepublik zu radeln und möglichst kein Geld auszugeben. Unsere Zeltnächte am kristallklaren Genfersee sind zwar bitterkalt, dafür glitzern die Sterne am Himmel um die Wette. Einen schöneren nächtlichen Ausblick hat man aus den protzigen Villen rund um den See sicher auch nicht.
In Lausanne sitzt der IOC (Internationales Olympisches Komitee), mit unserer Geschichte im Gepäck dürfen wir kostenlos ins Olympia Museum. Ansonsten zeigen sich die Anzugträger wenig beeindruckt von unserer Reise zu den Olympischen Sommerspielen 2016, den eher biederen Eindruck und das steife Image des IOC behalten wir daher bei.
Der strahlend blaue Himmel täuscht etwas, die Luft ist zwar klar aber die Kälte ist schneidend. Wir verabschieden uns vom größtem See der Schweiz mit dem Ziel Bern, der Hauptstadt des Landes. Die Kilometer ziehen sich, der Wind bläst von vorne und die Temperaturen fallen auf zapfige 5-7 Grad, in der Nacht sind wir unter dem Gefrierpunkt. Frederic und Adriana haben Mitleid und nehmen uns für eine Nacht auf, die Schweiz ist zwar teuer, aber die Menschen haben ein großes Herz. In den nächsten Tagen werden wir häufig zum übernachten, zum aufwärmen oder zum Abendessen eingeladen, danke.
nDie Schweiz macht ihren Klischees alle Ehre. Auf den Weiden bimmeln die Kühe vor sich hin, Käsereien gibt es wie Sand am Meer und es geht natürlich (nur) auf und ab. Ab Bern wir wieder deutsch gesprochen, wir brauchen eine Weile bis wir aufhören automatisch auf Englisch zu antworten. Mit der Schweiz waren wir jetzt übrigens in allen 4 Ländern in welchen Deutschland Fussball-Weltmeister wurde, alle 4 Länder auf dieser Reise, alle wurden mit dem Rad erobert. Andere sammeln Pokemon’s mit ihren Smartphone’s, wir sammeln WM-Sterne mit dem Fahrrad. Mission erfolgreich gemeistert.
Die Schweizer beeindrucken uns mit ihrer lockeren Art und ihrem wunderbaren Dialekt. Mit Malika, Cyrille und der bunten Großfamilie von Ranjit Masuta und einer Frau Uma Shakoor haben wir umwerfende Menschen mit z.T. unglaublichen Lebensgeschichten kennenlernen dürfen und hatten jede Menge Spass. Ranjit und seine Familie retten uns vor einer kalten Regenacht, wir werden in ihr „Hotel Langenthal“ und ihr indisches Restaurant eingeladen, grossartige Menschen treffen wir dort in einem tollem Naturparadies. Julian bleibt sich treu und die Plattfußstatistik wird weiter fleissig ausgebaut, geschlagene 40(!!!) Plattfüsse stehen bereits in der Statistik, Nico liegt gerade mal bei der Hälfte und damit bei 20.
Auf dem Weg nach Basel heisst es: Jacke an, Jacke aus, das Herbstwetter weiss anscheinend selten was es will! Andreas von der Basler-Zeitung lädt uns in seine Stadt ein, seine Frau On-Uma bekocht uns königlich. Die Basler-Zeitung bekommt ein Interview und wir eine tolle Stadttour durch die Altstadt bis hin zum Dreiländereck. Übrigens haben wir es geschafft und in der Schweiz kein Geld liegen lassen. Als Belohnung für uns Durchhaltevermögen gönnen wir uns allerdings am letzten Abend ein Fussballspiel zwischen dem FC Basel vs. Luzern, tolle Stimmung. Erwartungsgemäss gewinnt Basel mit 3-0, so lassen wir kurz vor der deutsche Grenze doch noch Geld liegen, mit umgerechnet 2,14€ p.P/Tag zählt die Schweiz aber zu unseren billigsten Reiseländern. den Artikel der Basler-Zeitung findet man hier: Zeitungsartikel in der BZ
Am Tag 539 radeln wir also wieder über deutschen Boden, die Sonne begrüßt uns mit einem herrlichem Herbsttag. Beinahe könnte man meinen die Heimat hätte uns vermisst und strahlt vor Freude als wir gen gigantischen, aber dennoch gemütlichen Rhein entlang rollen.
Die erste Nacht auf deutschem Boden wird natürlich gezeltet, der Sprung in den Rhein ist ein kühle Angelegenheit und wir kriechen sofort in unsere dicken Daunenschlafsäcke. Am nächsten Tag wechseln wir mehrmals zwischen Deutschland und der Schweiz hin und her, je nachdem welche Rheinseite den besseren Radweg bietet. Spätestens als wir unser „Schwäbisches Meer“ bzw. den Bodensee erreichen, wird klar: Wir sind zurück!!!!! Die Heimat hat uns wieder und es gibt auch gleich einen weiteren Grund zu feiern, die 32.000km unsere 20.000Meilen sind voll, was für eine Zahl.
In Konstanz werden wir von Jelena mit einem gigantischen Maultaschen-Essen begrüßt, 11 Maultaschen pro Kopf werden verdrückt. Am nächsten Tag gehts zur Tante und Onkel auf die andere Seeseite, wir werden herzlich begrüßt und es ist ein geschichtenreiches Wiedersehen. Auf dem Weg in unsere Geburtsstadt Tübingen warten mehrere Zeitungen auf uns und wollen Details zu unserer „kleinen“ Rundreise wissen. In Sigmaringen werden wir von Timo beherbergt, in Dusslingen übernachten wir bei Yvonne und Daniel nach unserem gratis Haarschnitt von “Rösener Schnittpunkt“ und unsere Schwester begrüßt uns in ihrem Häuschen in Nehren.
Tübingen ist die erste Stadt auf unserer Tour welche wir zweimal besuchen, hier schliesst sich der Kreis. Die Lokalpresse wartet, das SWR-Radio fängt uns vor dem Rathaus ab und von den Radio-Kollegen von „Das Ding“ werden wir interviewt und gefilmt. Weiter geht es nach Rottenburg, hier sind wir zu Schule gegangen, das „Schwäbische Tagblatt“ ist vor Ort und das Eiskaffee „Rino” spendiert neue Fahrradtrikots und Radelhosen, was für ein Empfang bei Sonnenschein und milden Temperaturen!
Ganz grosse Kino erwartet und in unserer Heimatgemeinde Hailfingen. Familie, Freunde, Nachbarn und Neugierige erwarten uns in unserer Rosengartenstraße. Die Ortsvorsteherin Sabine Kircher und der Rottenburg Bürgermeister Thomas Weigel beglückwünschen uns, unzählige Hände wollen geschüttelt werden und unsere Geschichte wir bis zur Heiserkeit erzählt. Es ist der absolute Wahnsinn, danke an alle die vor Ort waren, danke für die vielen Leckereien und die wunderbaren Plakate. Es war uns eine Ehre!! Die Party geht bist spät in die Nacht und auch der folgende Samstag wird mit Familie und Freunden durchgefeiert, es ist gleichzeitig Vater’s 66. Geburtstag.
Den Artikel vom Tagblatt gibt es hier.
Wir hatten keine Vorstellung was alles zwischen Tübingen und Rio liegt und passieren wir, jetzt sind wir um eine großartige Erfahrung reicher. Wir sind froh ohne Reiseführer gereist zu sein und wenig über die jeweiligen Länder gelesen zu haben. So haben wir viel mehr über Land und Leute erfahren. Wir waren offen für neues und haben so authentische Einblicke in den Alltag der Menschen bekommen.
Wie geht es weiter? Am Dienstag, den 25.10.2016 sind wir um 18.30Uhr live beim SWR in Stuttgart bei der Landesschau. Dort stellen wir auch unser Crowfunding-Projekt vor, unser Traum vom Film lebt und wir brauchen Eure Unterstützung. Danke!!
Danach radeln wir nach München weiter, die Preysingstraße 19 sollten wir am 31.10.2016 gegen 16h erreichen. Wir freuen uns auf Euch!
Danke für den grossartigen Empfang im Schwabenland! Ein Traum, ein Ziel, alles Kopfsache!!!!
Mit sportlichen Grüßen,
Julian und Nico.
Weitere Bilder findest Du in unserer Galerie.