Wir verlassen die chilenische Wüstenstadt Calama und suchen unseren Weg ins Wüstendorf San Pedro de Atacama und die Richtung nach Argentinien, welches sich noch hinter einigen Andengipfeln versteckt. Wir starten also unseren Trip durch die trockenste und höchstgelegene Wüste der Welt, die Atacama, es sollen zähe, harte, fiese und äusserst staubige Tage werden. Gleich zu Beginn zeigt uns der Gegenwind und die stetig ansteigende Straße wer hier das Sagen und damit das letzte Wort hat. Allerdings lassen auch die Highlights nicht lange auf sich warten, so stürzen wir uns kurz vor San Pedro de Atacama mit bis zu 99km/h ein gigantische Abfahrt hinunter, die Wüste mit ihren skurrilen Felsformationen und atemberaubenden Farben saust an uns vorbei. San Pedro de Atacama ist nett und hat einen gewissen „Hippie-Flair“, wirkt aber trotzdem irgendwie künstlich. Überall haben sich Agenturen niedergelassen, welche den zahlreichen Tagestouristen Geld aus der Tasche ziehen und neben Jeeptouren in die Wüste noch anderen überteuerten Service anbieten.
Nach San Pedro de Atacama geht es durch eine lange Sand- und Steinwüste mit wenig grünem Leben, wir bewundern die vielen wilden Esel und fragen uns wie diese in der kargen, trostlosen Gegend überhaupt überleben können, wahre Überlebenskünstler diese Maultiere. Wer vielleicht noch die ein oder andere Leiche im Keller hat, hier in der Atacama-Wüste wäre der optimale Platz um diese für immer definitiv unauffindbar unter die Erde zu bringen. Felsspalten, Schluchten, Steine, Sand, Wind, Kälte, Vulkane und Berge sind unsere Begleiter für die nächsten Tage. Auch wenn manche Tage sehr zäh und anstrengend sind wir sind froh das systeminterne deutsche Hamsterrad für eine Weile verlassen zu haben, das Leben spielt sich draussen ab und die Facetten unserer Welt sind unendlich vielfältig und spannend. Unser Reisemotto könnte auch, „Geträumt! Gelebt! Gewonnen!“, lauten.
Argentinien ist quasi schon in Sichtweite, wir können die leckeren argentinischen Steaks beinahe schon riechen, aber die Anden stellen uns heftige, massive letzte Hürden auf und wir müssen mehrmals Pässe von über 4500m überwinden. Wir verlassen das Atacama-Becken und es geht nur noch bergauf, Verschnaufpausen gibt es kaum und die Temperaturen liegen um den Gefrierpunkt, schon bald hört der Asphalt auf und wir fahren hunderte Kilometer auf Schotter- und Sandpisten. Auf 4108m, an der „Laguna Toyaito“, haben wir unseren höchsten Zeltplatz der bisherigen Tour, die Temperatur fällt in der Nacht auf – 12 Grad, der Wind pfeift uns ein kaltes Lied und am nächsten morgen sind Zahnpasta und Trinkwasser gefroren, es ist bitterkalt. Die Muskeln brauchen am morgen eine Weile um warm zu werden, die Finger und Zehen gleichen Eiszapfen, zwischendurch machen wir unsere 24.000km voll und Argentinien rückt langsam aber sicher näher.
Am Tag 411 unserer Reise gibt sich der „Abra el Laco“ mit 4584m die Ehre und wir feiern damit den höchsten Pass der Tour, wir sind von unzähligen Vulkanen umgeben, welche diesen Moment stumm mit uns zusammen geniessen. Abends fallen wir todmüde in unsere Zelte, wir leisten alle Drei täglich das Selbe. Der eine kommt mit der Höhe besser klar, der Andere nimmt den Anstieg leichter und der Dritte fährt mal schneller, aber am Abend haben wir alle den gleichen Tachostand und die selben müden Haxen.
Bis zur argentinischen Grenze werden wir durchgeschüttelt und eingestaubt, die Strasse ist ein einziges sandiges Waschbrett. Unsere Equipment reisst und bricht an allen Ecken und Kanten, unzählige Male mussten wir dieses jetzt schon notdürftig reparieren und ausbessern. Stress pur für Fahrer und Ladung.
Fix und fertig erreichen wir also unser Land Nr.22 und damit Argentinien, die argentinischen Grenzer sind super freundlich. Wir sind die ersten „Kunden“ für heute und es ist bereits 17h, an Überarbeitung sterben die Jungs hier sicher nicht. Wir dürfen kostenlos in der Grenzstation übernachten, heisse Dusche und Wifi inklusive, ein guter Start ins Land der Gauchos und der endlosen Pampas. Bevor wir uns aber entspannen können, warten noch 3 Tage Schotter und etliche Berge auf uns. Der RN-51 ist ungeteert und wir holpern langsam durch die Mond- und Marslandschaft, so muss es sich anfühlen wenn ein Traktor mit hoher Geschwindigkeit über einen gefrorenen Acker fährt, es ist zäh, äusserst zäh. Die Anstiege sind sandig, die Räder drehen oft durch oder rutschen, wie auf Schmierseife, im Sand hin und her, Einkaufsmöglichkeiten gibt es nicht und unsere Kekse müssen herhalten. Die Anden machen uns den Abschied nicht leicht, hohe Pässe, viel Schotter, Wind, Kälte, steile Anstiege, ein wahrer Endgegner der niedergerungen werden muss. Juni/Juli sind die kältesten Monate hier Oben, die Trinkschläuche unserer Rucksäcke sind gefroren, ein Wunder das unserer Körper noch nicht mit Krankheiten oder anderen Streiks drohen. Die wenigen LKW’s auf der Piste stauben uns kräftig ein, der Pass „Alto Chorrollo“ mit 4560m zieht sich unendlich lange hin, jetzt haben wir mehrmals die 4500m Grenze überschritten und sehnen uns nach dem argentinischem Flachland und damit nach den berühmten Pampas.
In San Antonio de los Cobres schlafen wir in einem Rohbau, es wird unsere letzte Nacht in den Anden. Am nächsten morgen haben wir noch einen 4000er zu bezwingen, danach geht es bergab. 7000km haben uns die Anden durch 6 Länder begleitet, Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivien, Chile und jetzt Argentinien haben wir dabei abgeradelt, der absolute Wahnsinn. Wir sausen also ins Tal und feiern dabei mit 170km (!!) einen neuen Rekordtag dieser Reise. Die Landschaft ist der absolute Hit, die Felsen leuchten in 1000 Farben, die Kakteen sind haushoch, die Canyon’s gigantisch, ein würdiger letzter Tag in den Anden und die schönste Abfahrt bislang. Wir steigen also von 4080m runter auf 1200m (schneller ist wohl noch nichtmal der VFB Stuttgart dieses Jahr von der 1. in die 2. Bundesliga abgestiegen) und erreichen damit Salta, Argentiniens nördlichste Grossstadt. Danke Anden, es war uns eine Ehre und wir werden mit einem gewissen Stolz viele Geschichten von Euch erzählen können. Das längste Bergmassiv der Welt ist damit bezwungen!!
In Salta legen wir gleich 2 Ruhetage ein, die Stadt brummt vor Leben, ein Sandwich-Laden reiht sich an den nächsten, auf den Straßen bilden sich hupende Staus, Mütter ziehen ihre Kinder hinter sich her, Männer sitzen wie Tagediebe in den Parks oder betreiben zwielichtigen Geldwechsel, es ist das komplette Kontrastprogramm zu den letzten Wochen in den einsamen Bergen. Ausgehungert schlemmen wir uns von einer Straßenecke zur nächsten, überall werden Leckereien angeboten und wir hören uns selten „Nein!“ sagen.
Auch die Räder kommen nicht zu kurz, bekommen eine Dusche in der Waschstrasse, werden geölt und gewartet. Über 24.900km sitzen wir jetzt auf den Bikes und sind wirklich erstaunt was diese alles wegstecken. Klar tritt mal das ein oder andere Problem auf, aber im Großen und Ganzem sind wir mit den TX-1000 Rädern der Fahrradmanufaktur absolut zufrieden. Da haben die Jungs und Mädels aus Oldenburg gute Arbeit geleistet und ein top Fahrrad zu einem sehr gutem Preis- Leistungsverhältnis auf den Markt gebracht. Einzigstes Manko: Ersatzteile sind in Nord- und Südamerika kaum zu bekommen.
Inzwischen besteht bei uns Dreien kein Zweifel mehr, Rio wird definitiv rechtzeitig zu den Olympischen Spielen erreicht!! Nur noch circa 3.000km in den nächsten 44 Tagen fehlen zum erreichen unsers Traums. Wie oft wurden wir belächelt, wie oft wurden wir für verrückt erklärt, wieviele Menschen haben ernsthaft an unser Vorhaben geglaubt? Viele dachten wir kehren nach einigen Monaten und wenigen Kilometern geläutert um. Nein, wir haben an uns geglaubt und unser Zeil verfolgt. Wir schaffen das, alles eine Frage der Einstellung.
Ein bisschen Enttäuscht sind wir allerdings von Menschen welche uns Unterstützung versprochen haben. Unzählige Male wurden uns Unterkünfte, Tickets für die Spiele in Rio, Kontakte zur Presse etc., etc. versprochen und damit Hoffnung gemacht. Die meisten Leute haben es scheinbar nötig sich aufzublasen und zu prahlen, ausser heisser Luft nichts gewesen. Von den Menschen mit der größten Klappe haben wir jedenfalls nie mehr was gehört. Unser Dank, gilt den Menschen welche unseren Blog lesen, unsere Bilder kommentieren und uns nette Nachrichten schreiben, dies ist die beste und schönste Unterstützung für uns.
Von Salta aus machen wir uns also auf dem RN-9 auf den Weg um Argentinien einmal von West nach Ost zu durchqueren, immer mit dem Ziel Paraguay und Brasilien. Die Einheimischen in Salta haben ständig davon gesprochen das jetzt die Strecke „solo plano“, „just flat“, „nur flach“ ist, Pustekuchen! Klar, im Verhältnis zu den Anden ist das hier Kindergarten, aber die ersten 2 Tage folgt ein Hügel dem anderem und wir machen 800 Höhenmeter am Tag. Fazit: Glaube keinem Einheimischem, erstrecht keinem OHNE Fahrrad!! Naja, am Abend gibt es bei „All-u-can-eat“ vom Grill genügend Kraftfutter und ein gemütlicher Zeltplatz findet sich auch meistens.
Wir wechseln vom RN-9 auf dem schmaleren RN-16, dieser führt uns endgültig in die Pampas Argentiniens. Die Strecke ist bolzengerade, an manchen Tagen kommt nicht eine Kurve, wieder ein anderes Extrem. Wir fahren durch Argentiniens Weidenlandschaft, viele LKW’s und Landwirtschaftsmaschinen begegnen uns und so treten wir verträumt Tag ein Tag aus vor uns hin. Die Tage erinnern an einen Herbsttag in Deutschland, ein herbstlicher Wintertag in der argentinischen Pampa. Die Nächte sind empfindlich kalt und am morgen dauert es bist sich die Sonne endgültig durchsetzt.
Die Neugier und Abenteuerlust treibt uns immer weiter. Was kommt als nächstes? Was bietet das kommende Land? Wo übernachten wir heute? Vor unserer Reise hatten wir keine Ahnung was alles zwischen Deutschland und Brasilien liegt, was alles auf uns zukommt. Auch jetzt kommen wir immer wieder ins staunen, neue Überraschungen gibt es auch noch nach 421 Reisetagen genügend. Vermutlich brauchen wir unser restliches Leben um alles zu verarbeiten und um unser Glück zu erfassen.
Die Gauchos auf ihren Pferden grüßen freundlich und die Dörfer wirken, nicht nur in der traditionellen Siesta, oft ausgestorben. Die Argentinier sind gute Gastgeber, überall dürfen wir unsere Zelte aufschlagen und unser Wasser auffüllen. Uns wird Gürteltier zum Abendessen angeboten, wegen uns müssen allerdings keine exotischen Tiere sterben und wir lehnen dankend ab. Viele bunte, exotische Papageien ziehen mit uns durch die Pampa und zwitschern uns ihr Lied von der Wildnis, wir kommen jetzt schnell voran und uns fehlen nur noch circa 300km bis zur paraguayischen Grenze.
Pampa, Pampa, Pampa. Argentinien live. Lucky Luke der einsame Cowboy ritt mit seinem treuem Pferd Jolly Jumper durch den Wilden Westen Amerikas, wir strampeln mit unseren robusten Rädern durch die Pampas Argentiniens immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen und der grenzenlosen Freiheit.
Egal wo wir als Deutsche „entlarvt“ werden, oft werden wir mit deutschen Stereotypen konfrontiert, ist Deutschland wirklich nur: „Autobahn“, „Oktoberfest“, „Hitler“, „Black-Forrest“, „Sauerkraut“ und „Beckenbauer“? Wir nehmen es mit Humor, Argentinien ist ja schliesslich auch nur: „Tango“, „Pampa“, „Maradonna“, „Fleisch“, „Gauchos“, „Messi“ und „Vizeweltmeister“!!!!
Heute übernachten wir übrigens im Ort „Pampa del Infierno“, der Name ist Programm….
Unser Motto für den Endspurt lautet: „Feuer frei!!! Rio wir kommen!!!“
So, den nächsten Bericht gibt es vermutlich schon aus Brasilien. Danke fürs lesen und wir wünschen Euch einen tollen Sommer.
Mit freundlichen Grüßen aus Argentinien,
Julian, Nico und Sandro
Weitere Bilder findest Du in unserer Galerie.