Wir haben es geschafft, unser Traum von Rio, unser Traum von den Olympischen Spielen 2016 ist hiermit Wirklichkeit geworden! Wir könnten platzen vor Glück! Am 467 Tag unserer Tour, nach 1554,77 Stunden im Sattel und exakt 28464 km auf den Bikes erreichen wir endlich die ersehnte Stadt am Zuckerhut und den berühmtesten Strand der Welt die Copacabana. Als wir vor über 15 Monaten in Deutschland starteten hatten wir keinen Ahnung was uns zwischen München und Rio erwartet. In 24 Länder wurden wir Zeugen von einzigartige Kulturen und atemberaubenden Landschaften, wir bedanken uns bei den vielen  Menschen entlang der Strecke, eure Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft war überwältigend ihr seid alle ein Teil dieser Reise und habt unser Abenteuer so unvergesslich, so bunt und einzigartig gemacht. Wir haben so unglaublich viele neue Freunde gefunden und allein ihr wart jede Strapaze, jeden Kilometer wert. Danke auch an unsere Familien und Freunde in der Heimat, bald sind wir wieder zurück, versprochen.

Ab jetzt gilt das Olympische Motto: „Dabei sein ist alles!“

So, jetzt ein kurzer Sprung 14 Tage zurück nach Florianopolis wo wir unseren letzten Blog online stellten.

Angelauslug und unsere Rettung. Mehr dazu im Text.
Unsere Rettung! Diese Jungs bringen uns auf die andere Seite der Lagune.

Nach Florianopolis hat uns der Highway BR-101 wieder, gewohnt gut ausgebaut führt dieser uns Kilometer für Kilometer gen Rio. Die Vorfreude auf Rio steigt mit jedem Meter, wir zählen die Tage runter, unsere Gefühlswelt steht vor Freude und Spannung Kopf und ein leichtes kribbeln ist unser ständiger Begleiter. Die Brasilianer sind der pure Wahnsinn und an Herzlichkeit kaum zu überbieten, wieder stehen uns die Häuser und Gärten offen, wir werden zum Frühstück, zum Abendessen oder auf ein kühles Bier eingeladen und haben quasi überall eine Riesen-Guadi. Brasilien es ist uns ein Ehre, Hut ab vor deinen tollen Einwohnern! Egal ob in Joinville bei Familie Tirelli, beim zelten im Garten eines Töpfers, eines Zoo-Besitzers oder beim campen auf dem Gelände eines Forschungszentrum im atemberaubenden Nationalpark wir haben wieder viel interessante Menschen getroffen und tolle Geschichten sammeln dürfen.

An manchen Tagen ist der Verkehr aber auch leicht kriminell, gerade in den Städten und insbesondere an den zahlreichen Ein- Ausfahrten ist wieder höchste Konzentration gefragt und wir sind jedesmal froh den Ballungszentren heil zu entkommen. Die Brasilianer sind irgendwie noch nicht so richtig in Olympia-Laune und sehen das anstehende Großevent eher skeptisch. Muss nach der Fußball-WM 2014 nur 2 Jahre später schon das nächste, sehr kostspielige, Großereignis auf brasilianischem Boden stattfinden? Wir haben andere Brennpunkte in unserm Land! Das ist die gängigste Aussage der Brasilianer, aber sobald Olympia startet „werden wir schon alle mitfiebern und kräftig feiern“ wurde uns zugesichert.

Wir verlassen den Bundesstaat Santa Catarina und fahren jetzt in Parana direkt an der Küste entlang in Richtung Sao Paulo. Durch die extrem hohe Luftfeuchtigkeit in der Nacht ist in der Früh alles klamm und nass, dementsprechend fällt das Aufstehen manchmal etwas schwerer. Aber unser Ziel und unser sportlicher Ehrgeiz motiviert uns täglich neu und so steigen wir artig jeden Tag mit dem Sonnenaufgang aufs Rad und radeln bis die Muskel schmerzen. Gott sei Dank haben wir uns für die Küstenstraße entschieden, in den Bergen fallen die Temperaturen z.T. unter den Gefrierpunkt und darauf hat keiner mehr Lust, die Anden und die Kälte sind für uns passe. Je näher wir Rio kommen umso öfter werden wir vor Rio selbst und den gefährlichen Bewohner gewarnt auch die gemeine Denque-Mücke soll auf den nächsten 500km recht aktiv sein.

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Kein Asphalt. 35km am Strand entlang.

Plötzlich hört die Strasse auf und wir müssen 28km auf dem, gut befestigten, Strand fahren, als dieser durch dichte Mangrovenwälder auch nicht mehr passierbar ist schauen wir doof aus der Wäsche. Was machen? Wir sind gestrandet wie Robinson Crusoe und die Flut setzt langsam ein, wir haben also keine Zeit mehr umzukehren und im Hinterland versperrt uns dichtes Gestrüpp und der Mangroven-Wald den Weg. Wieder einmal ist Improvisation gefragt, wir winken und rufen solange bis eine Bootscrew auf uns aufmerksam wird. Die Jungs kommen aus Sao Paulo und sind zum fischen unterwegs, kurzerhand werden die Räder aufs Boot geladen und wir kommen sicher bis zum nächsten Strandabschnitt, Glück gehabt. Weiter gehts auf Sand, der Wind bläst uns beinahe vom Rad. Ein weiteres Boot bringt uns sicher zum nächsten Hafen, wir geniessen die Fahrt durch eine herrliche Mangroven-Landschaft, Delphine und exotische Papageien begleiten uns. Wir sind heilfroh am Abend wieder Asphalt unter den Rädern zu haben, ein sehr abenteuerlicher und anstrengender Tag geht zu ende.

Wir bedanken uns bei Anja Tiedge von Spiegel-Online, Anja hat einen tollen Artike über uns verfasst, hier der Link zu ihrem und weiteren Artikeln über uns.

Danke auch für die vielen lieben Kommentare via Email, Facebook, SMS, WhatsApp etc. etc., wir haben uns sehr gefreut. Auch ein möglicher Ticketsponsor hat sich inzwischen bei uns gemeldet, von DERTOUR haben wir 2×3 Tickets zugesichert bekommen, wir sind jetzt also tatsächlich live in den olympischen Wettkampfarenen.

Eine Sache wollten wir aber doch noch kurz klarstellen, da es durch den Spiegel-Artikel zu kleineren Irritationen kam: Ja, wir werden gesponsert, aber ausschliesslich mit Produkten. Das tägliche Leben, essen, trinken, eventuelle Unterkünfte, Visa, Versicherungen, Ausflüge usw. zahlen wir komplett selbst und haben im Vorfeld hart dafür gearbeitet. In unserem Radelalltag werden wir  von KEINEM Sponsor finanziell unterstützt. Bitte macht euch auch keine Sorgen um „das Rentenloch“ und „die Lücke“ in unseren Lebensläufen welche durch diese Reise entstanden sind. Es wird vermutlich das schönste Loch und die abenteuerlichste und erlebnisreichste Lücke in unserem Leben sein, danke! Probiert es aus und lebt euren Traum, es funktioniert, geniesst die grosse Freiheit, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Wunderschöner Abschnitt. Berge und Buchten bringen uns zum Schwitzen.
Wunderschöner Abschnitt. Berge und Buchten bringen uns zum Schwitzen.

Weiter gehts auf dem Highway BR-116 und dem SP-055, die Uhr tickt gnadenlos, Ruhetage bis Rio können wir uns keine mehr erlauben. Der Atlantik ist jetzt wieder treu an unserer Seite, die Wellen feuern uns an und puschen uns immer weiter. Die Küstenstraße ist idyllische, aber eben auch sehr hügelig, hören die Hügel eigentlich nie auf? An die 200.000 (!) Höhenmeter haben wir auf unserer kompletten Reise bislang bewältig, die Beine schmerzen, langsam reicht es mit den Höhenmetern. Jede Bucht muss umständlich ausgefahren werden, oft denken wir „das muss die letzte Bucht gewesen sein“, aber nix da, es findet sich, bei nass-grauem Wetter, immer eine weitere und noch eine und …

Den Grossraum von Sao Paulo lassen wir überraschend schnell und problemlos hinter uns, jetzt sind es nur noch 400km und 5 Tage bis Rio! Wir übernachten in Abrisshäusern, auf Baustellen und in leerstehenden Immobilien, wir nehmen alles was sich anbietet und uns vor dem nächtlichem Dauerregen schützt. Natürlich holen wir uns von den Besitzern vorher (meistens) ein Okay.

Der Küstenabschnitt zwischen Sao Paulo und Rio ist ein Traum, die vielen Surfer-Hotspots sind sehr verlockend, aber ausser einer kurzen Mittagspause können wir uns keinen Aufenthalt erlauben, Olympia rückt immer näher und die Zeit drängt. Wir kommen wieder, nächstes mal mit mehr Zeit, im Sommer und ohne Rad.

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Nach 28.000km steht das erste Mal Rio de Janeiro auf dem Schild.

Wir machen ganz nebenbei die 28.000km voll, der letzte Tausender vor Rio, der letzte Tausender als Trio, etwas Wehmut liegt in der Luft. Noch 3 Tage bis Rio, bergauf, bergab, was machen wir hier eigentlich? Auf dem BR-101 geht es weiter, der Wald wird dichter, die Sonne kommt durch, wir fahren durch den Dschungel, grün ist die beherrschende Farbe. Das WDR-Radio, das Radio von BR2 und Radio Energy rufen an und wollen ein Telefoninterview, der Empfang ist schlecht und bricht ständig ab, trotzdem geben wir gerne Auskunft, es rauscht und rattert. Auch die Süddeutsche Zeitung meldet sich, über 60 Minuten telefoniert Julian mit dem freundlichen Reporter aus München, den  tollen Artikel findet ihr hier.

Das Fahrradfahren steht aber weiterhin an erster Stelle in unserer Tagesordnung, Sandros Pedal bricht und muss nun zum dritten Mal angeschweisst werden. Die Räder sind am Limit und brauchen dringend eine grössere Wartung, Zeit haben wir leider keine mehr, den ultimativen Härtetest von über 28.400km sollten unsere TX-1000 Maschinen allerdings noch locker schaffen und Rio am Stück erreichen.

Wir wechseln wieder das Bundesland Sao Paulo ist Geschichte und ab Tag 463 fahren wir im Staat „Rio de Janeiro“ weiter. Den Staat haben wir also schonmal gefunden, fehlt nur noch die City dazu.

Zu Fuss zu Olympia. 19.000km. Es geht immer noch verrückter...
Zu Fuss zu Olympia. 19.000km. Es geht immer noch verrückter…

330km vor Rio lernen wir Sergey aus St. Petersburg/Russland kennen. Sergey ist nun geschlagene 19.000km (!) zu Fuss von Russland nach Brasilien gelaufen um sein Land anzufeuern, Wahnsinn! Größten Respekt vor dieser Leistung. Russland ist z.T. von den Olympischen Spielen ausgeschlossen worden, Sergey läuft trotzdem weiter „dabei sein ist alles!“ sagt er uns und läuft weiter. Das ist wahrer, unbeugsamer olympischer Sportgeist.

Die brasilianische Polizei zeigt sich wirklich als „Dein Freund und Helfer“, die Jungs helfen uns immer gerne und besorgen hier und da sogar kostenlose und sichere Unterkünfte. Brasilien zeigt sich modern und für Touristen offen und sicher.

2 Tage vor Rio feiern wir mit Sandro seinen 33zigsten, ahhh Entschuldigung 19ten, Geburtstag, als Gäste haben wir unzählige, fiese Moskitos die uns den ganzen Tag verfolgen und um den nötigen Schlaf bringen.

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Rudi lädt uns in sein Haus ein.

Die letzte Nacht vor unserm „just-in-time“-Einlauf übernachten wir bei Rudi einem Schweizer Auswanderer. Rudis Haus liegt nur noch circa 40km von der Copacabana entfernt, „die längste Anfahrt zum Strand“  neigt sich dem Ende zu. Rudi führt uns durch seine Favela und an den Strand, dort lernen wir 2 amerikanische Olympiateilnehmer kennen, die 2 starten beim Radrennen. Auch Laura Siegmund, die deutsche Tennis-Hoffnung treffen wir am Abend zufällig am Strand. Von unserer Geschichte sind alle drei sehr beeindruckt und beglückwünschen uns zu unserem Trip.

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Markus von der ARD schiesst noch schnell ein Erinnerungsfoto.

Ja und dann ist es geschafft, wir sind die letzten 14 Tage durchgefahrenen und erreichen daher, bei herrlichem Sonnenschein, ausgepowert aber glücklich am Tag 467 und nach 28454km die Copacabana. Das Navi vermeldet kühl „Sie haben ihr Ziel erreicht!“ Und jetzt beginnt die Show für uns erst richtig! Über 12 verschiedene TV- und Radiosender empfangen uns an der Copa und wir werden von den Passanten beklatscht und beglückwünscht: ARD, Bayrischer Rundfunk, ARD-Radio, N24, Kabel1, ServusTV, Ö3-Radio, DPA (Deutsche Presseagentur), CNN, diverse brasilianische Sender, Peru-TV u.v.a.,  es ist wie in einem verrücktem Traum. Heiner Brand, der ehemalige Handball-Nationaltrainer, gratuliert uns persönlich und möchte die Reiseroute genau erklärt haben. Wir besuchen das Deutsche Haus und auch das Österreich Haus hier wird Freibier ausgeschenkt. Zahlreiche Passanten kennen uns bereits und fotografieren munter drauf los, wir bekommen viele Getränke spendiert von wildfremden Menschen. Richtig realisiert haben wir das alles noch nicht, es passiert soviel um uns rum. Die ARD hat uns ins Olympia-Studio eingeladen, wir sollen kommenden Sonntag, den 06.08. 8Uhr MEZ, live und in Farbe von unserer Tour berichten.

Wir hatten einen Traum und haben diesen realisiert. Wir sind zu dritt  und vor allem gesund und munter in Rio angekommen und haben damit unser gemeinsames Teamziel reicht, wir haben allen Widrigkeiten gestrotzt und haben es zusammen geschafft und auch teaminterne Differenzen überwunden. Alleine in die Welt aufbrechen kann jeder, zu zweit muss man schon mehr Kompromisse miteinander aushandeln, zu dritt gleicht diese einem täglichem Balanceakt. Wir haben es geschafft und das ist eigentlich das größere Wunder dieser einzigartigen Reise.

Erinnerungsbild mit Handball Weltmeister Coach Heiner Brand.
Erinnerungsbild mit Handball Weltmeister Coach Heiner Brand.

Entspannung ist angesagt, jetzt dürfen die „richtigen“ Athleten zeigen ob ihre Vorbereitung ideal war. Wir geniessen jetzt erst einmal Rio und den tollen olympischen Flair, die Stadt vibriert vor Energie. Julian hat bereits das erste (inoffizielle) Gold für Deutschland geholt, mit 30 Plattfüßen ist er der Plattfuß-König von Rio und verweist Sandro mit 20 Plattfüßen auf Platz 2, Nico musste nur 19 Mal seinen Reifen flicken und landet mit Bronze auf einem dankbaren 3. Platz.

Sandro tritt aus privaten Gründen bereits nächste Woche seine Heimreise an, vorher besuchen wir aber noch einige Wettkämpfe zusammen. Wir bedanken uns bei unserer “bayrischen Dampfnudel”, für eine aufregende, unvergessliche Zeit. Nico und Julian bleiben bis zum Ende der Spiele und berichten live aus Rio, mal schauen wie es danach weiter geht.

Danke für euer Interesse an unserer Tour und die Unterstützung auf der kompletten Reise.

Es war uns eine Ehre!

Mit sportlichen Grüßen,

Julian, Nico und Sandro

Weitere Bilder sind in unserer Galerie zu sehen.