In den letzten 16 Tagen war ganz schön was los bei uns, aber der Reihe nach. Nach unserem letzten Update in Tepic schnauften wir weiter die Berge rauf Richtung Guadalajara, immerhin legte sich mit der gewonnenen Höhe die Schwüle und speziell die Nächte wurden wieder erträglicher. Auf unserem Weg in die zweitgrösste Stadt Mexicos, Guadalajara (circa 1,5 Mio. Einwohner), passierten wir das berühmte Örtchen Tequila. In Tequila gehört es natürlich zum Pflichtprogramm die gleichnamige Spirituose in deren Heimat zu verkosten, am selben Abend wurden die Dorfstrassen zu kleinen Flüssen, es schüttet überraschend wie aus Eimern.
Kurz vor Guadalajara werden wir nochmals auf Bergtauglichkeit geprüft, die zahlreichen Hügel nehmen einfach kein Ende. Daniel, ein Freund von Nico aus dem
schwäbischen, am Neckar gelegenen, Obernau wohnt im bunten, belebten und feierwütigen Guadalajara und nimmt uns für 4 Tage in seiner Studenten-WG auf. Genug Zeit um Nicos 27ten Geburtstag ausgiebig im Nachtleben zu feiern und um die kulinarischen Spezialitäten und die zahlreichen kulturellen Sehenswürdigkeiten dieser Stadt ausgiebig zu erkunden.
Der Highway 80 bringt uns aus der City raus, die Schlaglöcher und die Dichte an verrückten Autofahrern, insbesondere Busfahrern, war in Guadalajara besonders hoch, an einer Kreuzung kurz vor den Stadttoren machen wir an Tag 191 unsere 11.000km voll. Der Hwy. 54D treibt uns immer weiter zur Küste, wir geraten in einen Sandsturm und sehen danach aus wie die Sandmänner persönlich. Der nächste Tag hält mit dem aktiven Vulkan „de Fuego“ die nächste Überraschung für uns parat und wir bestaunen bei wolkenlosen Himmel das Naturspektakel.
Nach wenigen Tagen erreichen wir mit der Kleinstadt Tecoman und dem Highway 200 das Ufer des Pazifiks. Die Schwüle ist zurück, jede Dampfgrotte wäre dankbar über soviel Luftfeuchtigkeit, unser Flüssigkeitsbedarf dürfte so bei 8-10 Litern am Tag p.P liegen. Der Highway 200 ist sehr eng und so schiessen die LKWs und Autos eng an uns vorbei, zusätzlich steigt die Uferstrasse auf und ab, an manchen Tagen haben wir zu unseren, durchschnittlichen, 90 Tageskilometern nochmals 1700 Höhenmeter.
Erschrocken sind wir über den vielen Müll, welcher am Strassenrand entsorgt und verbrannt wird. Gut, wir produzieren, wie jeder Andere auch, täglich Müll und wo unser Abfall letztendlich landet nachdem wir ihn in einer Mülltonne entsorgt haben, wissen wir auch nicht. Vermutlich lässt uns der Kontrast zwischen der einmaligen, tropischen Natur, dem herrlichem, einladendem Meer und den stinkenden, riesigen Müllbergen über unser eigenen Umgang mit Abfall in unserer Konsumgesellschaft nachdenken.
Das Kontrastprogramm bekommen wir schon am nächsten Tag geboten, der kleine Ort Colola ist Schauplatz der grössten Schildkrötenpopulation der Welt. Zufällig sind wir zur rechten Zeit am rechten Ort und so begeben wir uns in der Nacht mit angehenden Meeresbiologen an den Strand. Es sind hunderte Schildkröten, die
vermessen, gewogen und markiert werden, wir sammeln Eier ein, zum Schutz vor Raubtieren etc., und dürfen die frisch geschlüpften Babys begutachten. Hier spiegelt sich die Magie der Natur und einer solchen Reise eindrucksvoll wieder.
Je näher wir nach Acapulco kommen umso präsenter ist die Polizei und das Militär, die Jungs treten in Hundertschaften auf und sind bis an die Zähne bewaffnet. In uns weckt das zweierlei Gefühle, einerseits fühlen wir uns recht sicher, andererseits machen die Truppen das auch nicht zum Spass. Letztendlich sind die Männer aber auch nur Menschen und naturgemäss sehr neugierig, wie übrigens alle Mexikaner, so werden wir regelmässig ausgefragt und bekommen bewundernde Blicke und bei den Kontrollen werden wir mit einem gönnerhaften Kopfnicken durch gewunken. Inzwischen sind wir mehrere tausend Kilometer verbotenerweise auf der Autobahn gefahren, bislang hat das aber noch keinen Ordnungshüter gross interessiert. Die Autobahnen sind wesentlich besser ausgebaut und verfügen über einen breiten Seitenstreifen und werden daher von uns bevorzugt.
Gerade die ärmeren Menschen scheinen das größte Herz zu haben, wieder wurden wir zu kostenlosen Übernachtungen eingeladen, zum Eis oder auf eine kühles Getränk. Uns ist klar, dass diese Reise ein Privileg ist, von dem die meisten Menschen hier nur träumen können. Dafür sind wir sehr dankbar, manchmal müssen wir allerdings selbst aufpassen dieses Privileg auch zu schätzen und nicht als selbstverständlich hinzunehmen.
Unsere Hängematten, wohl der größte Luxus in unserm Equipment, versüssen uns
jetzt immer öfter die Mittagspause, ein geeigneter Platz am Meer und die benötigten Palmen sind i.d.R. recht schnell gefunden, auch schon über Nacht haben wir darin königlich geschlummert.
Heute am Tag 200 unserer Reise sind wir in Acapulco angekommen. 200 Tage, 200 Nächte, 200 Abenteuer, 200 mal pures Leben, Wahnsinn! Manchmal fühlt sich das alles unecht an, vielleicht wird es irgendwann, mit etwas Abstand greifbarer. In den letzten 200 Tagen haben wir also 11896 Kilometer auf unseren Bikes zurückgelegt, das entspricht 3,5 x die komplette Tour de France 2015 (Quelle Wikipedia / 3360KM gesamt), gut die Jungs fahren das in 21 Tagen, dafür ohne Gepäck und mit erstklassigem Serviceteam, welches sich um die Malzeiten, die Fahrräder und die Massagen kümmert. Neidisch sind wir allerdings nicht, den geniessen können wir unsere „Tour de Rio“ mit Sicherheit mehr.
11896 Kilometer in 200 Tagen entspricht einem Durchschnitt von 59.48 Kilometern am Tag, inklusive Ruhetage. Nach Abzug unserer 54 Ruhetage fahren wir im Schnitt 82.61 Kilometer an einem Radeltag, das ist mehr als im Vorfeld der Reise hochgerechnet.
Die weltberühmten Klippenspringer von Acapulco sind eine einmalige Show, es gehört unheimlich viel Mut zu diesem Sport, Hut ab. In Acapulco selber stechen die zahlreichen VW-Käfer heraus, wir fühlen uns wie Zeitversetzt in die 60ziger. Auch das bunte Treiben auf den engen Märkten ist beeindruckend, die Gerüche und Geräusche muss man allerdings selber erlebt haben. Das liebevoll-chaotische ist uns inzwischen sehr ans Herz gewachsen und lässt sich eben kaum in Worte fassen, irgendwie geht immer und auf unsere “heiligen” Standards aus der Heimat kann man auch schonmal verzichten. Reduzieren auf das Wesentliche ist angesagt und dies fällt uns leicht, nicht nur hier in Mexiko sondern schon von Beginn der Reise an.
Die nächsten Tage bringt uns der Highway 200 weiter in den Süden, kurz vor Guatemala fahren wir scharf links und hoffen das uns circa 2000 Kilometer östlich in Cancun (noch immer Mexiko) eine Fähre nach Kuba mitnimmt.
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Mit freundlichen Grüßen,
Julian, Nico und Sandro.
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