Mit einem kräftigen „Bula“ und schwungvollen Liedern, welche eine Liveband zur Begrüßung schmettert, werden wir direkt am Flughafen von Nadi und damit auf den Fidschi-Inseln herzlich willkommen geheißen. Die Dame am Schalter der Einreisebehörde mustert meinen Reisepass mehrmals: „Is the Person in your Passport really u?“ und weiter „Are u the Person shown in this Passport, Sir?“, gleich mehrfach werde ich gefragt und mit Argusaugen gemustert. Ich sollte mich vielleicht wirklich mal wieder rasieren, mit meinem Passfoto habe ich momentan wohl wirklich größere Differenzen. Aber die junge Frau lässt sich letztendlich von mir überzeugen und auch den obligatorischen Coronavirus-Check passieren Nico und ich problemlos, wir sind fieberfrei und bester Laune im Südseeparadies angekommen.
Die Räder sind sicher bei John und Kathleen in Neuseeland untergestellt, die Muskeln sehnen sich nach einer Pause und in der nächsten Tagen treffen auch noch unsere Mädels ein. Was wollen wir eigentlich mehr? Wir sind bereit für Palmen, Strand und neue Abenteuer in unserem Reiseland Nr. 19. Hallo bzw. ein kräftiges „Bula“ (Hallo), Fidschi!
Sofort sind wir von der entspannten Lebensart und dem Dauergrinsen der Einheimischen angetan. Auf Fidschi ticken die Uhren definitiv anderes. „Fidschi-Time“, ist quasi immer und kann ein kleines Nickerchen, ein Sprung in die Fluten oder einfach nur ein kühles Bier im Schatten einer Palme bedeuten. Die unglaublich herzlichen und freundlichen Menschen lassen sich scheinbar durch nichts und niemanden aus der Ruhe bringen. Uhrzeiten gibt es nicht – die „Fidschi- Time“ bestimmt unseren Rhythmus und den Urlaubstakt für die nächsten 2 Wochen.
Kaum setzt bei Nico und mir eine gewisse Grundentspannung ein, da landen auch schon Marisa und Sophia und wir verlassen vereint mit unseren Mädels und einer tropischen Leichtigkeit die Hauptinsel für noch mehr Entspannung und Urlaubsromatik deluxe. Zu viert geht es auf die „Yasawa“ und „Mamanuca“ Inseln, Fiji besteht aus 333 kleineren und größeren Inseln. Wir haben uns im Vorfeld auf 5 Inseln à 2 Tage geeinigt, diese werden mit dem Katamaran angesteuert, die Organisation übernimmt die Bootscrew. Wir entspannen und schippern durch die Südsee, Fidschi-Time.
Unsere erste Unterkunft ist die „Nabua Loge“, dort erwischen wir sehr regnerische Tage, allerdings ist dies auf den Fidschi-Inseln halbe so schlimm. Warum? Bei Regen tauchen wir einfach unter. Die Unterwasserwelt ist ein Traum aus tausendundeiner Farbe, wir schnorcheln durch das kristallklare Wasser und sind geplättet von einer unglaublichen Artenvielfalt von Fischen, Krabben, Korallen und diversen anderen Meeresbewohnern. Der Regen ist quasi nie von ausdauernder Natur, es schüttet mehrmals am Tag heftig, aber bei durchschnittlichen 28 Grad ist dieser definitiv auszuhalten und auch die Sonne schickt ihre Strahlen ebenso regelmäßig durch die Wolken und lässt uns schwitzen, wie die Büffel.
Hier entscheiden Nico und ich uns definitiv dafür, unseren Plan C, einmalquer mit dem Rad durch die USA zu reisen, fix zu machen. Das US-Visa ist genehmigt, die Flüge gebucht und der Zeitplan bis zur Olympiade von Tokio 2020 neu strukturiert. Es wird Zeit, etwas an unserem bzw. an meinem Äußeren zu ändern. Die Dame bei der Passkontrolle hatte Recht- ich muss was machen, ansonsten komme ich wohl nicht an den strengen US-Grenzbeamten vorbei und falle in das Raster von diversen Bösewichten. Unsere Reisevita weisst den Iran auf, eigentlich ein Ausschlusskriterium für ein Einreise in die USA, da soll mein Aussehen nicht noch zusätzlich für Aufmerksamkeit sorgen. Marisa spielt den Barber und kämpft sich tapfer durch mein Barthaar. Wir einigen uns auf einen Schnauzer à la Tom Seeleck und dessen Rolle als Privatdetektiv in der legendären Serie „Magnum“. Also, falls ich getarnt mit einem 80er Jahre US-Kultbart nicht in die Staaten reisen darf, weiß ich auch nicht. Jedenfalls lässt das Ergebnis nicht nur mich schmunzeln, auch die Einheimischen sind begeistert und lachen sich mit mir gemeinsam schlapp.
Unterkunft Nr.2 ist das „Long Beach Resort“. Wie der Name schon erahnen lässt, gibt es genügend Strand für ausgedehnte Strandspaziergänge und viele Muscheln, welche von Marisa und Sophia eingesammelt werden wollen. Bei diesen ausgedehnten Ausflügen fangen wir uns auch den ersten kleinen Sonnenbrand ein – gehört definitiv dazu zum Urlaubsfeeling, oder? Unsere Unterkünfte zeigen sich rustikal, einfach und sehr authentisch, wir leben quasi mit den Einheimischen zusammen unter einem Dach. Wir trinken das klare Fidschi-Regenwasser und lassen den lieben Gott einen guten Mann sein- die Massagen und viel leckeres Essen helfen dabei kräftig mit. Mit selbstgebauten Harpunen gehen wir mitten in der Nacht ins Wasser und jagen unser Mittagessen für den nächsten Tag. Nico und ich sind nach anfänglichen Schwierigkeiten doch recht geschickt und zufrieden mit unserer Beute: 1 giftiger Kugelfisch, den wir wieder frei lassen, und 3 kleine, äußerst schmackhafte Fische werden von uns erlegt und gebraten. Schon am nächsten Tag ist unser Jagdtrieb allerdings wieder gesättigt und wir lassen uns von der Unterwasserwelt lieber wieder im vollem Umfang faszinieren. Die legendäre „Blue Lagoon“ lässt sich kaum in Worte fassen- es wimmelt nur so von Fischen jeder Art, jeder Größe und jeder erdenklichen Farbe – man muss auf den Fidschis nicht tauchen, schnorcheln reicht völlig aus.
Auch die Einheimischen ziehen uns voll und ganz in ihren Bann, so bekommen wir ein kleines „Kokosnuss-Einmaleins“, die Kokospalme ist der Lebensbaum der Fidschianer. Egal ob als Medizin, Nahrung oder zum Haus – und Werkzeugbau, die Palme hat scheinbar unzählige positiven Eigenschaften und ist seit eh und je von unschätzbaren Wert für den Alltag der Menschen der Inseln. In der Zwischenzeit, falls gerade nicht eine kleine Hängematten-Siesta dazwischenkommt, üben wir uns in diversen olympischen Sportarten. Neben Kokosnuss-Weitwurf und Kugelstoßen (man ersetzte die Kugel durch eine reife und dicke Kokosnuss) üben wir uns im Volleyball (hier ersetzt man die Kokosnuss dann doch lieber wieder und nimmt einen handelsüblichen Ball). Olympia ist ja schließlich noch nicht abgesagt und wir wollen unsere sportliche Fähigkeiten noch weiter ausbauen. Wir inzwischen gehen wir aber davon aus, dass die Olympiade, wie jede andere Großveranstaltung, aufgrund des Corona- Virus abgesagt werden wird.
Wir unterziehen uns auf den Fidschi-Inseln einer kleinen „Digital- Detox -Kur“, nicht, weil wir ignorant sind oder uns die weltweite Ereignisse, wie die aktuelle Coronakrise nicht interessiert. Nein, der Grund ist ein viel einfacher. Wir haben selten Storm und noch viel seltener Internetzugang. Häppchenweise dringen Informationen von anderen Reisenden zu uns durch. Just in der Zeit, in welcher wir in der Südsee abtauchen, sieht es so aus, wie die Welt regelrecht im Coronawahnsinn erstickt. Auf der ganzen Welt scheint ein normaler Alltag nicht mehr möglich zu sein. Schulen werden geschlossen, Menschen in Quarantäne geschickt und ganze Länder abgeriegelt. Die Welt erlebt einen Hutdown der Superlative. Mit jeder neuen Information scheint sich die Lage immer drastischer zuzuspitzen. Wir nehmen es tröpfchenweise wahr, ohne in Panik zu verfallen – was sollen wir auch tun?
Die kleineren Inseln der Fidschis sind die reinste Ruheoase, kein Verkehrslärm stört die Stille. Hin und wieder bellt ein Hund oder ein Hahn kräht müde vor sich hin, ansonsten: Ruhe und Gelassenheit. Auch die Menschen, ob Tourist oder Einheimischer scheint die Ruhe selbst zu sein. Ab und an fällt das Wort Corona, ernsthaft Sorgen schient sich keiner zu machen. Ein grober Fehler?
Unterkunft Nr. 3, die „White Sandy Beach“ empfängt uns mit einem „Bula-Song“ und wir sind spätestens jetzt angekommen in der Zeitrechnung „Fidschi-Time“. Wir üben uns im Bowl, selbstverständlich besteht die benötigten Kugeln aus Kokosnüssen – wie gesagt die Kokosnuss ist ein Multitalent der besonderen Art. Die Menschen auf den Fidschis gelten, laut einer weltweiten Studie, als das glücklichste Volk der Erde. Wir könnten diese Studie blind unterschreiben – hier wohnt das Lachen und die Gelassenheit. Vielleicht ist es diese Leichtigkeit, welche uns von den Ereignissen rund um den Planeten schützt, die Coronakrise dringt einfach nicht mit voller Wucht zu uns durch. Oder wollen wir es einfach nicht wahrhaben, dass wir nur sporadisch, wie in einer Parallelwelt, wie in einer Blase voller Glück und Ruhe untergetaucht sind und die normale Welt, unsere Welt, gerade in Flammen steht? Das wir demnächst wieder auftauchen müssen? Uns neu orientieren müssen?
Die Anziehungskraft der Hängematte ist enorm und die der Unterwasserwelt ebenso. Wir schnorcheln mit Haien, tauchen in Höhlen, angeln und grillen Fische, veranstalten äußerst humorvolle Krabbenrennen und leben den Moment.
Plötzlich tauchen wieder Fetzen der Realität im Paradies auf, Amerika macht die Grenzen dicht, heißt es. Verdammt, was geht da draußen eigentlich ab? War meine Rasur umsonst? Noch immer tanzen und lachen die Menschen hier um die Wette. Wir lassen uns anstecken, aber das Gedankenkarussell dreht sich immer schneller und intensiver. Geht es unseren Familien, unseren Freunden in der Heimat und auf der restlichen Welt gut? Wo können wir jetzt noch radeln? Wie geht es weiter? Amerika fällt weg! Welchen Plan hecken wir jetzt aus? Kommt Plan Z, wie Zuhause? Wir entscheiden uns abzuwarten und auf ein stabiles Internet zu setzen und nicht auf die Buschtrommeln.
In der vierten Unterkunft, in der „Naqualia Lodge“, fühlen wir uns wie in einer Familie und pudelwohl. Wir wohnen etlichen berühmten „Kaba-Zeremonie“ bei. Kaba ist das Nationalgetränk des Landes und es gibt strikte Regeln, wie das harmlose aber gewöhnungsbedürftige Wurzelgetränk eingenommen werden muss – unvergessliche Abende bleiben für immer in Erinnerung. „Sleep like a Baby – wake up like a Grandma“, mit einem breiten Lachen im Gesicht reicht mir Sam die nächste Kokosnusstasse, bis zum Rand gefüllt mit dem erdig schmeckenden Kaba-Mix. Wir besuchen die Dorfschule, auch hier tauchen wir ab in eine andere Welt – die Kinder sind die Ruhe pur und mustern uns von oben bis unten. Der Filmklassiker „Cast away“ mit Tom Hanks in der Hauptrolle wurde hier nur ein paar Nachbarinseln weiter gedreht, wir sind angekommen am Ende der Welt. Zaghaft fragen wir die Menschen hier, ob sie keine Angst vor dem Virus haben und das keine Touristen mehr kommen werden. Überall heißt es: „So haben wir wieder mehr Zeit zum fischen!“
Aber dann kommt er, der erste große Schock für uns! Kalt, fies und unerwartet steht er erst nur als Gerücht im Raum und wird uns später von John live aus Neuseeland betätigt. Neuseeland hat die Grenzen zu gemacht, auf unbestimmte Zeit, für alle Ausländer! Die Räder sind auf Neuseeland gestrandet und von uns getrennt! Der absolute Supergau für Nico und mich, nie im Leben hätten wir mit diesem Reiseverlauf gerechnet. Wie auch? Wer hätte überhaupt mit solch einer Pandemie gerechnet? Wir können also nicht mehr weiter mit unseren Rädern um die Welt ziehen. Langsam begreifen wir den Ernst der Lage – was für ein Schlamassel. Der Coronavirus macht einen dicken Strich durch unsere Rechnung und trennt uns von den Rädern. Was jetzt? Allerdings ist unser Schicksal gar nichts zu anderen Dramen, welche sich gerade auf unserem Planeten abspielen. Wir machen uns auf den Weg zurück auf die Hauptinsel.
Der Weg führt an unserer Unterkunft Nr. 5 vorbei, die „Southsea Island“ ist unsere letzte Ruheoase vor dem Sturm. Die Miniinsel ist in weniger als 5 Minuten einmal komplett umrundet, wir ziehen unsere Kreise und die Gedanken schlagen Purzelbäume. Wir versuchen uns allerdings nicht verrückt machen zu lassen, wir können eh gerade nichts ändern. Die Flüge sind gebucht und noch haben alle Transitländer für die Rückflüge der Mädels offen. Wir genießen also die letzten Einheiten im Wasser, die Massagen und das ein oder andere kühle Getränk unter Palmen bevor uns die Realität wieder auftauchen lässt.
Die Realität kommt mit einem Knall: Ausreiseverbot nach Neuseeland und Australien. Australien wäre unser Plan E gewesen, auch dieser ist nun hinfällig. Wir sind gestrandet, am Flughafen herrscht das absolute Chaos. Drei Tage verbringen wir dort, so planlos wie im Moment waren wir nich nie auf unseren Reisen. Unser Motto “Without a plan to Japan“ ist zum Leben erwacht. Wir überlegen kurz ohne Rad weiterzureisen. Die Räder sind schließlich sicher in Neuseeland abgestellt – und die Öffnung oder Lockerung der Einreisebestimmungen kann Monate dauern.
Die Behörden und die steigende Unruhe bringen das reinste Chaos in unsere Gedankenwelt. Die Bundesregierung will uns in der Heimat sehen. Und wir sind, mehr oder weniger, auch gewillt zu gehorchen. Aber unsere Flüge werden ersatzlos immer und immer wieder gestrichen. Wir verbrennen mit jedem Flugticket Geld, auf Schadensersatz können wir nicht hoffen – höhere Gewalt heißt es einheitlich. Wir kommen einfach nicht weg. Australien hat seinen Transitbereich geschlossen, meine Freundin Marisa kommt nicht mehr in den Flieger. Nico’s Freundin Sophia hat Glück und ist inzwischen auf dem Weg in die Heimat, ihr Flug ging über Singapur. Der Flughafen ist der reinste Hexenkessel und eine abartige Gerüchteküche, ständig schleichen sich neue Informationen ein, Hoffnung keimt auf und wird im nächsten Moment wieder gnadenlos abgewürgt. Wurden wir vor knapp 2 Wochen wirklich am selben Flughafen von einer Liveband begrüßt? Wir buchen Flüge um, telefonieren mit der Botschaft und dem Konsulat, schalten die Familie ein etc. etc. Keine Chance! Bislang stellen sich Australien und Neuseeland stur und lässt uns nicht für wenige Stunden in den Transitbereich. Etliche Länder machen die Schotten dicht, wir kommen nirgendwo mehr rein und damit auch nicht raus. Auf den Fidschis gibt es die ersten Coronafälle, auch hier werden die Menschen langsam aber sicher nervös. Geht jetzt auch hier das Klopapier aus….?
Zur Hölle, in was für ein Chaos hat sich die Welt die letzten Monate und speziell während unserer „Fidschi-Time“ gestürzt? Segelboot? Geht nicht, keine Erfahrung und vermutlich zu teuer! U-Boot? Schwimmen? Ein Floss bauen? Abwarten auf Fidschi? Geht nicht, das Land will die Touristen loswerden und macht hier klar Schiff. Die Hotels werden allmählich geschlossen, wir werden gedrängt zu gehen. Wir würden gerne, dürfen aber nicht – Ironie pur. Guter Rat ist teuer, wir sind ein Spielball von Corona, von weltpolitischen Entscheidungen und von irgendwelchen Transitregelungen, welche sich minütlich ändern. Sophia ist unterwegs, Marisa würden wir gerne auf dem sicheren Weg in die Heimat sehen, schließlich ist sie wegen mir hier – das schlechte Gewissen nagt unaufhörlich. Nico und ich haben keinen Zeitdruck und da wir genügend Bücher im Gepäck haben, ist der Ort unserer Quarantäne zweitrangig, dazu müssen wir allerdings ausreisen dürfen. Zielland? Inzwischen zweitrangig – Hauptsache sicher…falls das überhaupt noch irgendwo geht.
Stand der Dinge: Räder und Equipment unerreichbar in Neuseeland. Bart ist ab. Wir sind gestrandet auf den Fidschis und die Einheimischen haben endlich wieder Zeit zum fischen.
Morgen geht es wieder zum Flughafen, wir haben das dumpfe Gefühl „Without a plan to Japan“ findet langsam aber sicher ein passendes und damit planloses Ende. Die Welt wird sich weiter drehen, unsere Räder wohl leider nicht mehr. Naja, vielleicht…..
Helmut Schmidt sagte einst: „In der Krise beweist sich der Charakter“ . Auch diesen Charaktertest werden wir irgendwie überstehen, davon sind wir überzeugt.
Wir wünschen Euch alles erdenklich Gute. Passt gut auf Euch auf und bleibt Zuhause – Draußen ist die Hölle los. Oder anders gesagt: Abgetaucht im Paradies – Aufgetaucht im Chaos!
„In der Krise beweist sich der Charakter“ Helmut Schmidt
Eure radlosen Pasta Gorillas.
Julian und Nico
Weitere Bilder findest Du in unserer Galerie.