Als wir Bratislava verlassen regnet es Bindfäden und der Mix aus Regen, Wind und kühlen Temperaturen begleiten uns inzwischen treu durch halb Europa. Normalerweise ist der Donauradweg im Mai ein sehr beliebtes Radlziel, daher ist es beinahe schon unheimlich, diesen quasi verwaist abradeln zu dürfen. Kurz hinter Bratislava machen wir allerdings eine großartige Entdeckung, wir treffen auf eine hochmoderne Kajak-Übungsanlage. Und wer trainiert hier mitten in der slowakischen Einöde? Niemand geringerer wie das japanische Kajak – Olympiateam! Was für ein grandioser Zufall, ein Zeichen? Wir können es jedenfalls kaum fassen. Die Mädels und Jungs aus dem „Land des Lächelns“ sind schwer begeistert, machen bei strömendem Regen Bilder mit uns, wollen alles über uns, unserer geplante Strecke und unsere Motivation wissen und geben uns selbst den ein oder anderen Tipp mit auf den Weg. Wir sehen uns in Tokio.
Vereinzelt stossen wir auf kleinere Dörfer füllen dort Wasser und Proviant auf, bevor wir uns wieder in die Büsche zum Zelten schlagen. Die Donau bietet eine unglaubliche Anzahl von potenziellen wilden Zeltplätzen, es ist immer wieder faszinierend wie schnell ein beliebiger Flecken für wenige Stunden unser Zuhause wird. Stundenlang sitzen wir abends da und beobachteten die träge Donau, lauschen dem Regen welcher auf unsere Plane plätschert, planen den nächsten Tag und versinken dabei in den beruhigenden Geräuschen der Natur.
Mit Ungarn begrüßen wir bereits unser Reiseland Nr.4, wir treffen gleich auf unglaublich hilfsbereite und gastfreundliche Menschen. Jeder zweite Ungar scheint deutsch zu sprechen, so radeln wir von einem Small Talk zum nächsten, auf diese Art und Weise erfahren wir interessante geschichtliche Fakten aus der Region und sehr persönliche Biographien. Im wildromantischen Ungarn müssen wir erstmals auf unserer Tour Geldwechseln, ein nostalgisches Urlaubsfeeling setzt bei uns ein. Wenige Kilometer vor Ungarns Hauptstadt Budapest werden wir auf Langos, Gulasch und Bier eingeladen, die Menschen sind so angetan von unserer Reise, dass wir am Ende des Essens gleich eine Siegermedaille umgehängt bekommen.
Da wir Budapest erst am späten Nachmittag erreichen fällt eine ausführliche Stadterkundung leider aus, kurze Zeit später finden wir uns am Rande der Stadt in unseren Zelten wieder. Wir campen direkt an der Donau mit Blick auf die Stadtkulisse Budapest und die Pasta köchelt im Topf. Das Leben kann so einfache sein!
Hinter Budapest wird der Radweg wilder, eine klare Linie ist nur noch schwer auszumachen, wir wechseln zwischen Landstrasse, Feldweg und Trampelfad wie wild hin und her. Der ständige Regen strapaziert die Nerven, lässt uns weniger vorankommen und stellt ein weiteren Gefahrenfaktor im eh schon dichten Verkehr da. Unsere Velotraum Räder sowie die griffige Pinion-Schaltung werden schon auf unseren ersten Tourten auf Herz und Nieren geprüft, tiefer Matsch, Schlamm und Geröll wurden bislang mit Bravour gemeistert, neue für uns und die Ausrüstung Herausforderungen kommen jedoch früher wie uns liebe sein dürfte.
Natürlich überrascht uns der Weg auch immer wieder positiv, Nico fängt ne Schlange, Julian findet Nummernschilder, Felix ist auf der Suche nach einem geeigneten Rhythmus und wirft immer wieder, mehr oder weniger freiwillig, Balast ab und wir feiern an Tag 15. die ersten tausend Kilometer „on the Road“!
Da der Himmel wohl ein überaus großes Bedürfnis hat unsere Reiseroute zu bewässern, verbrüdern wir uns eben mit dem Wind. Ja, mit dem Wind! Wir werden zwar oft vom Winde verweht, zu unserer großen Überraschung schiebt dieser uns allerdings meist in die richtige Richtung und damit an die Grenze zu Kroatien, unserem Land Nr. 5.
Die erste Nacht in Kroatien flüchten wir, im Städtchen Osijek, vor Wind und Unwetter in ein kleines Hostel. Die Region rund um Osijek wird nur noch durch die Donau von Serbien getrennt. Diese Region war während des Jugoslawienkrieg sehr umkämpft, die Häuser und die Menschen erzählen traurige Geschichten. Viele Menschen sind geflüchtet, die wenigen welche geblieben sind machen einen leitgeplagten Eindruck, tragen ihr Schicksal allerdings mit sehr viel Stolz und Kraft. Bei Wein und Speck lauschen wir Geschichten und Tragödien, die Menschen entlang der Strecke freuen sich, dass Reisende wie wir, diese Region mit ihren herzlichen Menschen wieder entdecken und das Leben irgendwie weitergeht.
Die Donau sehen wir jetzt meist nur noch am Abend für unser Nachtlager, die Menschen hatten, verständlicherweise, nach den Kriegsjahren andere Sorgen, wie den Donauradweg weiter auszubauen. Immerhin kommen wir so mehr durch die Dörfer und Städte auf diese Art bekommt man einfach mehr vom eigentlichen Leben der Menschen mit. Hier im äussersten Zipfel Kroatiens wirkt alles ein wenig rustikaler, alles geht zwar seinen Weg, allerdings ohne das eine große Hektik ausgestrahlt wird.
Abends sitzen wir dann wieder bei kühlen 6 Grad vor unseren Zelten, haben gleich 7.(!) Schichten an Oberteilen an, unser komplettes Arsenal an Kleidung muss herhalten, bevor wir uns in unsere Schlafsäcke kuscheln. Ja, wir freuen uns auf Sonne, Sonne, Sonne und Nächte bei 25 Grad, die Eisheiligen können ruhig weiterziehen und Grönland unsicher machen.
Irgendwann ist dann alles nass und klamm, die Beine schmerzen und auch der Kopf, der Verkehr und die Strassenverhältnisse fordern höchste Konzentration. Wir freuen uns auf Belgrad und ein wenig Ruhe. Es geht vorbei an alten Burgruinen, saftigen Felder und einer lieblichen Donau, so erreichen wir erschöpft Serbien, unserer Nr. 6.
Serbien verstrahlt einen sehr liebevoll chaotischen Charme, wir haben das Gefühl via Zeitreise um 2-3 Jahrzehnte ins 90er Jahre versetzt worden zu sein. Der Putz bröckelt von den Häusern, allerhand Gerätschaften rosten in den Gärten vor sich hin, die Autos dieseln uns voll, Gerüche von gebratenen Fleische steigt uns in die Nase. Zahlreiche kleine Läden und Marktstände versprühen einen angenehmen Retro-Style. Überall krähen Hähne, hupen Autos, grunzen Schweine oder eine altes Radio scheppert längst vergessene Hits, Kinder rennen um die Wette und die Männer geniessen mit selbstgebrannten Schnaps und Zigarette den Feierabend, ein schöner Mix. Die Menschen sind viel draussen, werkeln am Haus, wurschteln im Garten oder beobachten uns stumm.
Serbien hat was von Südamerika, vielleicht ist es eine gewisse südländische Leichtigkeit welche wir verspüren? Nur das Wetter lässt uns daran zweifeln ob wir in München die Richtige Himmelsrichtungen eingeschlagen haben.
Jetzt sind wir also in Belgrad angekommen, dort haben wir ein Hausboot-Hostel ergattern können, entspannen ein wenig und bereiten uns auf die nächsten Etappen vor. Rumänien und Bulgarien sind in greifbare Nähe gerückt, wir und die Bikes sind gespannt auf neue Sitten und Bräuche, bereit für das wahre Leben.
Morgen geht es weiter, aber heute werden die Füße hochgelegt.
Bleibt und treu.
Eure Pasta-Gorillas,
Julian, Felix und Nico
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