Wir nicken kurz ein, schemenhafte Träume blitzen kurz auf und verschwinden gleich wieder in der Dunkelheit der Nacht – nur wenige Augenblicke nach dem Start ruckelt es einmal kurz und wir landen mit der Morgenröte sanft in Thailand. Leider gibt es, obwohl das thailändische Festland nur einen Steinwurf entfernt ist, kein Boot von den andamanischen Inseln rüber nach Thailand – was tun? Alternativen wären über’ s Wasser paddeln oder die gesamte Strecke durch Indien an der Südostküste wieder hoch zu radeln. Auch aufgrund des auslaufenden Visums bleibt uns in diesem Fall leider nur der Flieger als wirkliche Option. Dieser ist kaum durchgestartet, da landet er auch schon wieder in Bangkok – unter Buddhas Freunden. Geschlagene 6 Stunden verbringen wir im gigantischen Suvarnabhumi-Airport, schrauben unsere Räder wieder zusammen, verstauen unser Equipment, wechseln die Freiläufe der Hinterräder, sortieren hin und her, tauschen Geld und staunen über die scheinbar endlose Masse an Touristen, welche durch den Flughafen irrt.
Wenige Augenblicke später sitzen wir auf unseren Rädern und beginnen unser Thailandabenteuer direkt am Flughafen, wir freuen uns auf unser Land Nr. 15. Vermutlich ist es selbst mit dem Auto, Bus oder Moped kein großer Spaß durch die riesige Metropole Bangkok zu gelangen – mit dem Fahrrad können wir uns daher weit attraktivere Routen vorstellen. Wir entscheiden uns das Herz Bangkoks rechts liegen zu lassen und radeln somit durch die Vororte der Megacity, auch hier gibt es genug zu sehen und volle Konzentration ist gefragt.
Wir atmen Thailand ein und Indien aus – es ist die pure Entspannung. Obwohl wir uns im Ballungsgebiet Bangkoks befinden, hupt uns keiner an, wir werden nicht beobachtet und wir werden nicht ständig ausgebremst und alle 5 Meter nach einem Selfie gefragt. Wir kehren ein, wo und wann wir wollen und ziehen dabei nicht die Aufmerksamkeit eines ganzen Dorfes auf uns. Thailand mit seiner Ruhe und Gelassenheit ist die reinste Wohltat für Körper und Geist. Zwei Monate auf Indiens Straßen haben uns scheinbar mehr geschlaucht, wie gedacht, gerade die Ohren danken es uns. Indien war wirklich eine interessante Erfahrung, aber fernab von den plattgetrampelten Touristenpfaden war es auch eine sehr belastende Zeit – psychisch und physisch.
Die liebevollen Thailänder, deren Balance und Ausgeglichenheit, machen es uns aber auch wirklich einfach – diese Lebensfreunde, dieses Lachen, dieses kunterbunte und herzliche Miteinander lässt einen alle Strapazen der vergangenen Monate schnell vergessen – die Gelassenheit Buddhas liegt scheinbar über dem gesamten Land.
Jetzt sind wir also in Thailand, wie soll es jetzt auf unserm Weg nach Japan weiter gehen? Eigentlich könnten wir über Kambodscha, Vietnam und China recht einfach und (vergleichsweise) recht schnell nach Japan gelangen. Da wir nach wie vor voll in unserem Zeitplan sind, haben Nico und ich uns darüber natürlich schon ausführlich Gedanken gemacht und verschiedene Optionen geschnürt. Das Ergebnis in Kurzform: wir wollen in Australien oder Neuseeland überwintern! Dazu müssen wir die nächsten Wochen in Richtung Malaysia und Singapur radeln, um von dort entweder nach Australien oder eben nach Neuseeland zu gelangen. Im Frühjahr 2020 wollen wir dann den umgekehrten Weg zurück auf asiatischen Boden antreten, damit dürfte unserem letzten Abschnitt nach Tokio nichts mehr im Wege stehen. Lange Rede, kurzer Sinn: Wir können uns nicht für Australien oder gegen Neuseeland entscheiden. Beide Länder haben ihre Reize und es wird mit zunehmender Diskussion immer schwieriger, eine Entscheidung zu treffen. In diesen Fall muss der Würfel und unser Motto „Ohne Plan nach Japan“ ran und die Entscheidung fällt, für:
Neuseeland!
Ende des Jahres wollen wir also in das Land der Maori einreisen und es genauer unter die Lupe nehmen. Eine gute Entscheidung wie wir finden, Glücksspiel hat auch seine Vorteile.
Um nach Singapur zu gelangen, müssen wir den südlichen Teil Thailands abklappern und lernen dabei sehr abgelegene Gegenden des Landes kennen. Wildcampen ist hier gar kein Problem, am Abend finden wir immer einen Strand- oder Waldabschnitt, in welchem wir unser Zelt aufschlagen können und um die Pasta köcheln zu lassen – nur die Moskitos und die enorme Schwüle bereiten uns schlaflose Stunden. Es ist November, das heißt wir befinden uns gerade eigentlich mitten in der Regenzeit, allerdings scheinen wir mal wieder mehr Glück, wie Verstand zu haben: Es regnet einfach nicht und so lassen sich auch die schwülen Nächte verschmerzen. Fernab von allen anderen Touristen, auf eine Landstraße mitten im thailändischen Dschungel, machen wir nach 196 Tagen unsere 11.000 Kilometer voll. Zu Feier des Tages finden wir ein altes thailändisches Nummernschild und Julian’s meine (du schreibst vorher auch in der Ich- Form) Sammlung wächst damit weiter und weiter – die Straße macht uns eben die schönsten Geschenke. Aber auch fernab der Straßen gibt es viel zu bestaunen- die Thailänder lassen sich gerne über die Schulter schauen, egal ob beim Kochen, Fischen oder beim, zugegeben ekelhaften und schrecklichen, Ritual des Hahnenkampfes, wir bekommen authentische Eindrücke in den Alltag der Menschen.
Wo sind jetzt nur die ganzen Backpacker vom Flughafen mit ihrer Expeditionsausrüstung? Die werden doch wohl nicht alle mit dem Minibus und diversen Tuk-Tuk von einem Hotspot zum anderen chauffiert? Das wäre doch zu schade um die multifunktionalen Klamotten und die stylischen Rücksäcke, oder? Vermutlich ist Thailand mit eines der einfachsten Reiseländer der Welt. Die Touristenmassen kommen ja nicht von ungefähr – da ziehen Menschen für 2 Wochen los, welche aussehen, wie gerade dem Outdoor-Katalog entsprungen. Ausgestattet mit den neusten Trends der Outdoormessen, bereit mit einer sündhaft-teuren Ausrüstung – eben nicht eine neue Welt zu entdecken – sondern nur Thailand, wo man doch wirklich nicht viel braucht. Naja, jedem das seine – unsere Art und Weise des Reisens ist ja auch nicht jedermanns Vergnügen.
Wir sehen kaum andere Touristen, dafür den ersten Weltreiseradler seit Iran. Francis aus Paris fährt mit seinem Klapprad von Japan nach Singapur und ist gerade auf dem Rückweg nach Bangkok. Es sind Begegnungen, wie diese, die uns faszinieren- Menschen, die mit glühenden Augen von Abenteuern und Gefahren erzählen, die einem Tipps geben und Mut zusprechen, weiter zu radeln.
Thailand verwöhnt uns allerdings nicht nur mit traumhaften Zeltplätzen direkt am thailändischen Golf, sondern mit einem gigantischen Komplettpaket – thailändisches Essen ist zum niederknien, Tempel laden überall zum Entspannen ein. Buddha, sowie der alte und auch neue der König des Landes wachen an jeder Ecke über uns. Affen rennen mit uns um die Wette, Palmwälder bieten uns Schutz vor der Sonne und die Thailänder haben ein einmaliges Gefühl zwischen Nähe und Zurückhaltung. Einen kleinen Kiosk, eine Garküche oder einen „7/11“- Shop findet sich sogar im hintersten Eck des Landes. Unterm Strich: wir fühlen uns wohl! Wäre da nicht eine Kleinigkeit, welche uns jetzt schon über 2 Monate Sorgen macht.
Obwohl wir an unserem letzten Tag in Indien nochmals beim Arzt waren und wir eine erneute Antibiotika-Kur gestartet haben, geht der Durchfall einfach nicht weg- es ist wie verhext. Wieder brauchen wir einen Plan, was sollen wir machen? Gerade weil die Regenzeit relativ harmlos um die Ecke kommt und wir uns in der Nebensaison befinden, entscheiden wir uns für die Inseln im Golf von Thailand: Koh Tao und Koh Phangan. Die beiden Inseln sind normalerweise recht touristisch, so erhoffen wir uns eine schnelle medizinische Hilfe durch die internationalen Krankenhäuser.
So strampeln wir also weiter die Golfküste runter bis ans Hafenstädtchen Chumphon, dort bringt uns eine kleine Fähre auf Koh Tao. Und tatsächlich, hier ist er: der (Pauschal-) Backpacker. Es scheint doch einfacher zu sein der Masse hinterher zu rennen, wie neue Wege zu finden oder gar eine Expedition ins Unbekannte zu starten. Dabei ist es doch so einfach. Naja, gleich am nächsten Tag geht es für uns ins Krankenhaus. Dort werden Blut- und Stuhlproben gemacht und es wird absolut NICHTS gefunden, weder bei Nico, noch bei mir. Keine Parasiten, keine Viren, keine Bakterien, keine erhöhten Werte: einfach nix! Wir sind erstaunt und bekommen vom Arzt vorsichtshalber 7 – 10 Tage Ruhe verschrieben, idealerweise in der Hängematte am Strand.
Gesagt getan, die Hängematte und das kristallklare Wasser sind für die nächsten Tage unsere besten Freunde. Gott sei Dank herrscht Nebensaison auf den Inseln, nicht auszumalen, sollten alle Hütten und Restaurants belegt sein. Die Einheimischen sind entspannt, der große Ansturm kommt jedes Jahr, wie auf Knopfdruck, nach Weihnachten und bleibt bis Ostern.
Unser Tagesablauf beschränkt sich auf wohltuende Massagen, leichtes Essen, herrliche Strandabschnitte, Sprünge ins kühle Nass und auf ausreichend Schlaf, dabei schaukelt uns das Geplätscher der Wellen in entspannte Träume. Es gibt wahrlich schlimmere Orte für eine Zwangspause, wie die Insel Koh Tao. Welche irgendwie an einen riesigen Kinderspielplatz für Erwachsene erinnert – was zum Essen, etwas zum Trinken, eine Massage, eine Hütte direkt am Strand findet sich immer und überall (zumindest im November) – ein wahrer Hotspot eben.
Und siehe da, wir scheinen tatsächlich auf dem Weg der Besserung zu sein. Nach 7 Nächten auf Koh Tao zieht es uns eine Insel weiter und damit auf Koh Phangan. Dort bleiben wir nochmals für 4 Nächte, bevor die Ruhezeit vorbei ist und wir wieder die Straße unser Zuhause nennen. Dort gehören wir hin und mit der Ruhe und Gelassenheit Buddhas schaffen wir auch den nächsten Abschnitt.
Mit sonnigen Grüßen,
Eure Pasta-Gorillas
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